14.3.11

Zu: Hund, der denkt, die Katze sei auf der Eiche. (Malcom)

Können Tiere denken? Was heißt es, wenn man von solcher Art Denken redet? Lässt sich hierfür überhaupt eine adäquate Hermeneutik finden?

Der entscheidende Horizont dieser Fragestellungen liegt nach Davidson im Haben bzw. Nichthaben von propositionalen Einstellungen (z.B. "ich glaube, dass ..." oder "ich weiß, dass ..." usw.). Das heißt wir fragen danach, was überhaupt die Bedingungen dafür sind, um von rationalen Lebewesen zu sprechen. „Wodurch wird ein Tier (oder irgendein anderes etwas) zu einem Vernunftwesen?“

Gemäß mentalem Holismus muss es (das Vernunftwesen) zusammenhängende propositionale Einstellungen besitzen. Wie überprüft man, ob tatsächlich so ein Zustand bei dem jeweiligen Wesen vorhanden ist? Beispielhaft für diese schwierige Fragestellung (mitsamt den dazugehörigen Konsequenzen) ist die berühmte Situation mit dem Hund, welcher die Nachbarskatze jagt (ursprünglich von Malcolm formuliert):

„Nehmen wir einmal an, unser Hund jagt die Nachbarskatze. Diese rast mit Volldampf auf eine Eiche zu, schwenkt aber im letzten Moment plötzlich ab und verschwindet auf einem nahen Ahorn. Der Hund sieht dieses Manöver nicht und stellt sich, bei der Eiche angekommen, auf die Hinterbeine, kratzt mit den Pfoten am Stamm, als wolle er hochklettern, und bellt aufgeregt zu den Ästen hoch. Wir, die wir die Episode vom Fenster aus beobachten, sagen: 'Er denkt, die Katze sei die Eiche hochgeklettert.“

Offensichtlich hat der Hund eine Überzeugung, nämlich dass die Katze auf dem Baum sitzt. Wenn er schon eine Überzeugung besitzt, dann wird er auch noch andere Überzeugungen haben und vermutlich besitzt er auch Absichten und Wünsche. Er scheint also ein ganzes Arsenal (dem Menschen vielleicht partiell ähnlich) an mentalen Zuständen zu besitzen.

Aber ist der Hund tatsächlich überzeugt? Von was ist er denn überzeugt? Ist der Baum zufällig eine Eiche, glaubt der Hund, dass die Katze eine Eiche hinaufgeklettert sei? Oder dass es derselbe Baum wie bei der letzen „Katzenjagd“ sei? Egal wie man den einzelnen Gedanken auch konkretisieren möchte, zufrieden stellend ist dies nicht. „Es scheint, dass man – einerlei wie man ansetzt – sehr rasch zu Überzeugungen gelangt, die so beschaffen sind, dass man gar keine Vorstellung davon hat, wie man angeben soll, ob ein Hund diese Überzeugungen hat […]“ Es mangelt an einer ausreichend validen Intensionalitätsprobe.

Der Hund müsste ein äußerst komplexes Zusammenspiel von Verhalten und mentalen Gründen besitzen (hier ist natürlich vorausgesetzt, dass Gründe handlungsrelevant sein können und nicht wie ein Epiphänomen verpuffen) um eine einzelne Überzeugung zu haben. Das Netz an Überzeugungen ist dementsprechend groß. „Und nur wenn wirklich ein derartiges komplexes Verhaltensmuster vorliegt, gibt es Gedanken. Davidson's Ansicht nach ist ein solches Muster nur gegeben, wenn der Akteur eine Sprache kann“

Das alte Thema taucht auf: die Differenz zwischen Mensch und Tier liegt in der Sprache. Nach Davidson erfolgt keine Gleichsetzung von Sprechen und Denken, sondern er behauptet nur, dass um überhaupt Gedanken zu haben, Sprache notwendig ist. Der nächste Schritt in der Argumentation besteht darin, dass es nicht nur notwendig ist, ein ganzes Netz an Überzeugungen zu haben, wenn man eine Überzeugung hat, sondern, dass es erforderlich ist, über den Begriff einer Überzeugung zu verfügen.

Was heißt das? „Der Witz des Begriffs der Überzeugung besteht großenteils darin, dass es der Begriff von einem Organismuszustand ist, der wahr oder falsch, richtig oder unrichtig sein kann“. Anders formuliert: Wer über den Begriff der Überzeugung verfügt, verfügt notwendigerweise auch über den Begriff der objektiven Wahrheit. Habe ich eine bestimmte Überzeugung über etwas und tritt dieser Fall nicht ein bzw. die Welt enthält sich entgegengesetzt meiner Überzeugung, dann „habe ich die Vorstellung von einer objektiven Realität, die nicht von meiner Überzeugung abhängt“.

Und diese Art von Überzeugung wird man wohl kaum einen Tier zusprechen können. Es fehlt ihnen die Möglichkeit der sozialen Kommunikation (im strengen Sinne, d.h. mehr als nur Lautäußerungen), die der Grund dafür ist, dass Vernunft ein soziales Merkmal ist, d.h. die gemeinsame intersubjektive Welt, welche sich im Prozess der Interpretation ergibt.

Zusammenfassend die erfolgten Argumentationsschritte:

1. Ein Gedanke liegt in einer propositionalen Struktur vor
2. Wer einen Gedanken hat, besitzt notwendigerweise mehrere Gedanken (Überzeugungen)
3. Diese Gedanken sind miteinander verbunden, sie bilden ein holistisches Netz
4. Eine Überzeugung hat nur derjenige, der den Begriff einer Überzeugung hat
5. Wer über einen Begriff einer Überzeugung verfügt, verfügt auch über den Begriff der objektiven Wahrheit
6. Über den Begriff einer objektiven Wahrheit verfügt man, weil er durch den Prozess der Interpretation und Triangulation intersubjektiv gebildet/erschlossen wird
7. Punkt 6. kann man nur vollziehen, wenn man über Sprache verfügt
8. Tiere besitzen keine Sprache
9. Also haben Tiere keine Gedanken
Quelle: http://de.consenser.org/node/2197

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