11.3.11

Über die Unschärfe

Ok. Wenn einer eine Maus malt, ist das keine Maus, sondern das Gemalte repräsentiert eine Maus. Ob das Dargestellte vom Betrachter als Maus identifiziert wird, hängt davon ab, ob er seine Seherfahrungen und situativen Erinnerungen zu dem bildhaften Gegenstand in Bezug setzen kann.
Dabei kommt es zu Unschärfen auf beiden Seiten: Der Künstler liefert mit der Abbildung eine Interpretation des Bildgegenstandes. Das heißt, das Dargestellte ist durch seinen emotionalen Haushalt, seiner Fähigkeit zur Repräsentation von Gedanken und seiner symbolischen Praxis abhängig. Dabei rückt er das Objekt unweigerlich von dem Bezeichneten ab. Diese Verrückung wirft beim Betrachter Fragen auf. Er ist mit der Sinnstiftung, oder im ungünstigsten Falle mit der Entsorgung des Repräsentierten beschäftigt. Nach der Heisenbergschen Unschärferelation kann der Ort und der Impuls eines Teilchens nie gleichzeitig gemessen werden. Je genauer man den Ort eines Teilchens misst, desto ungenauer kann man seinen Impuls kennen und umgekehrt. Auf das Dargestellte bezogen würde das bedeuten: Je mehr man einem Impuls folgt, desto weiter rückt man vom Ausgangspunkt ab, das Eigentliche wird unter Umständen unauffindbar. Deswegen scheint es ratsam, den Gegenstand zu umkreisen. Auf diese Weise verliert man nie das Zentrum.

1 Kommentar:

  1. Genau!
    Der Vorschlag des Umkreisens als Methode der Erfassung von Gegenständen, auch bildnerischen oder kreativen Gegenständen, passt zu lerntheoretischen Aussagen.

    Wahrnehmung ist Teil des Lernens.

    Lernen geschieht u.a.
    1. mit allen Sinnen
    2. in der Handlungsorientierung
    3. ist prozesshaft
    4. geschieht nicht linear (Anhäufung von Wissen im geradlinigen Voranschreiten, sondern vernetzt ( Erkenntnisse werden im Wissensnetz an passender Stelle einsortiert.)

    Dies entspricht meiner Meinung nach genau dem Ansatz des Umkreisens.
    Also ist dieser methodische Ansatz zur Erfassung von Gegenständen nicht nur kunstphilosophisch, sondern auch lerntheoretisch begründbar.
    Jürgen

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