22.3.11

Claudia Lo Gatto: käferumschleichung

Käfer in der Schachtel / Gehirne im Schädel?

Wittgenstein kritisierte philosophische Verwirrungen – er sprach auch von Verhexungen – denen wir philosophisch erliegen können, wenn wir uns von der „Oberflächengrammatik“ der Sprache täuschen lassen.

Das folgende Beispiel ist zwar ziemlich platt, aber hoffentlich anschaulich: Ich habe 5 Pfennig / Ich habe Liebeskummer. Die Struktur der beiden Sätze suggeriert, dass es sich bei beiden Sachverhalten um etwas ziemlich Ähnliches handelt. Im ersten Fall schaut ggf. man ins Portemonnaie, um nach den 5 Pfennig zu suchen. Im zweiten Fall sucht man aber vergeblich in einer inneren Schachtel, um den Liebeskummer dingfest zu machen :-) Wenn man sich diesen Fall nach der Art „Käfer in der Schachtel“ vorstellt (durch die Form des Satzes „ich habe …“ getäuscht) dann versteht man weder den Liebeskummer recht, noch unsere Art wie wir darüber zu sprechen vermögen.

Ähnlich liegen die Dinge oft, wenn man heutzutage auf die Sprache vieler Hirnforscher achtet. Seit neuestem sind es nämlich die Gehirne, die denken, handeln und fühlen. Statt Käfern in Schachteln, geht es um Hirne in Schädeln. Und nicht mehr um Personen - also um uns selbst als Ganze.

Nimmt man die beiden Beispiele von oben, dann „hört“ man, dass hier was nicht stimmt: Mein Gehirn hat 5 Pfenning. Hmmm … Schlimmer noch: Mein Gehirn hat Liebeskummer. Das wäre reichlich seltsam, nicht wahr?

Und wenn man dieses krude Spiel in Gedanken konsequent bis zum Ende durchspielt, dann bezieht sich Romeos Liebeskummer plötzlich nicht mehr - wie man glauben möchte - auf Julia, sondern auf Julias Gehirn … ouch!

Die Philosophen haben sich für diese Sprach- oder Denkfehler der Hirnforscher schöne Namen einfallen lassen. Sie sprechen von Kategorienverwechslungen oder auch mereologischen Fehlschlüssen. Aber das muss einen nicht Bange machen :-) Hauptsache man macht es den Hirnforschern nicht nach und nimmt ihre Bilder nicht für bare Münze. Das heißt, Hauptsache man macht sich mit diesen neuen Gehirn-Paradigmen nicht selbst zum handelnden Gehirn … sondern man bleibt, was man ist: ein Mensch mit Haut und Haaren :-)

Mein bleibe also besser das Tier, das weder mit Geld noch mit Liebeskummer umgehen kann!

4 Kommentare:

  1. "Dingfest machen" ist sicher ein guter Hinweis: bei den 5 Pfennig im Portemonnaie, dem "Käfer in der Schachtel" wie auch dem Gehirn in der Schädelkapsel (letztere erfüllt ja auch eine gewisse Schutzfunktion) handelt es sich eben um Dinge, die als solche durch die Präposition "in" auch räumlich lokalisierbar, genauer: irgendwie "in" etwas eingeschlossen bzw. durch diesen Einschluss auch vom Außen 'abgegrenzt', isoliert sind. Und es gibt ja sicher auch eine Weise, mit Liebeskummer so umzugehen, indem man solche Angelegenheiten - Klappe zu, Affe tot? - einfach 'in sich verschließt' oder 'mit sich' ausmacht und sie damit in gewisser Weise auch wie einen "Käfer in der Schachtel" behandelt, in die zum Glück niemand hineinsehen kann :-) - wenn Romeo solches versucht, kommt Julia sich möglicherweise aber auch etwas verschaukelt und 'ausgeschlossen' vor. Schließlich handelt es sich ja nicht einfach um Romeos Privat(-besitz)angelegenheit :-) , sondern um eine Angelegenheit zwischen den beiden (und weiteren Personen), die alle in (schon wieder "in"!) die ganze Situation Involvierten betrifft und angeht.

    Insofern - es ist ja auch wie verhext - wäre ich mir gar nicht so sicher, ob es sich bei dieser Art von 'Innerlichkeit' einfach um eine philosophische Verwirrung oder Täuschung durch die "Oberflächengrammatik" der Sprache handelt, die als solche durchschaubar und überwindbar ist, oder ob nicht auch mächtige Interessen, Wünsche, Ängste,... mit im Spiel sein könnten, bei denen das weitaus weniger einfach gehen dürfte. Vielleicht ist der berühmte "Käfer in der Schachtel" auch gerade ein solches Tier, "das weder mit Geld noch mit Liebeskummer umgehen kann", und sich solche Angelegenheiten und die sich daraus ergebenden Herausforderungen und Probleme daher auch möglichst vom Leib hält ...?

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  2. Der Name "Claudia Lo Gatto" sagt mir zwar leider nichts, aber die witzige - und passende! - Bild-Assoziation 'Hellseherin mit Kristallkugel' ist wahrscheinlich auch nicht ganz zufällig, oder täusche ich mich :-). Wer zu einem solchen im Gehirn (oder sonst irgendeiner privaten 'Innerlichkeit') verkapselten "Käfer" Zugang sucht kann ihn wahrscheinlich ja auch nur "umschleichen" - zur Not weiß mancher sich womöglich nicht anders zu helfen als aus dem Kaffeesatz zu lesen, auch wenn da meist wohl nur Unsinn steht :-).

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  3. Claudia Lo Gatto ist die Künstlerin. Ich hab das Bild von facebook hierher verlinkt, damit es die facebook-Abstinenzler :-) auch zu Gesicht bekommen.

    Ich hätte statt auf Liebeskummer vielleicht auch ein weniger exponiertes Beispiel wählen können.

    Irgendwie hat mich dieses Gehirn gleich so in Beschlag genommen, dass mir die Kristallkugel-Assoziation einfach entgangen ist, vielleicht weil die Kugel, wenn es denn eine ist, auch nicht ganz rund ist?

    Wie auch immer, dass ist natürlich auch ein spannender Aspekt!

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  4. Man muss sich natürlich nicht auf das Beispiel Liebeskummer festlegen. Es ist ja auch einfach eine banale Alltagserfahrung, dass man zwar nicht einfach 'sehen' kann, was 'in jemandes Hirn' so vorgeht (gegenteilige Behauptungen sind wahrscheinlich auch so glaubwürdig und seriös wie Jahrmarktswahrsagerei :-) ), dass es aber auch erleichternd und befreiend wirken kann, wenn es irgendwie möglich ist, miteinander zu sprechen, so dass man hier eben nicht auf die eigene trübsinnige düstere Grübelei - so wirkt das Bild ja auch etwas - und zweifelhafte Spekulationen zurückverwiesen und damit in gewisser Weise auch allein gelassen ist. Das kann in solchem Fall allerdings für Kummer sorgen und einen auch sehr verunsichern - man weiß schließlich nie, woran man 'in Wirklichkeit' überhaupt ist. Die mereologischen Fehlschlüsse mancher Hirnforscher hingegen haben wohl eher keine besonders mystische Aura, und schlagen eigentlich auch nicht so aufs Gemüt :-) - vielleicht drängt sich mir dieser Aspekt auch daher weniger auf.

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